Frage: Herr Reime, die solarcomplex AG hat zur ordentlichen Hauptversammlung am 22. Juli 2025 eingeladen. Beginnen wir mit TOP 1, der Vorlage des festgestellten Jahresabschlusses. Warum gibt es hierzu keine Beschlussfassung?
Rechtsanwalt Reime: Der festgestellte Jahresabschluss muss gemäß § 172 AktG nicht mehr von der Hauptversammlung genehmigt werden, wenn der Aufsichtsrat ihn bereits gebilligt hat – was hier der Fall ist. Damit ist der Jahresabschluss rechtswirksam festgestellt, und die Aktionäre erhalten lediglich Einsicht und Bericht. Es handelt sich also um einen reinen Informationsteil.
Frage: Unter TOP 2 wird über die Verwendung des Bilanzgewinns abgestimmt. Was ist aus Sicht der Anleger wichtig?
Rechtsanwalt Reime: Entscheidend ist die vorgeschlagene Ausschüttung: Rund 1,13 Millionen Euro sollen als Dividende ausgeschüttet werden, was 0,075 Euro je Aktie entspricht. Der Großteil – über 5,66 Millionen Euro – wird im Unternehmen belassen. Das deutet auf einen langfristig orientierten Kurs der AG hin. Für Dividendenorientierte Anleger ist das ein moderates Signal, während wachstumsorientierte Aktionäre eher zufrieden sein dürften.
Frage: Bei TOP 3 und 4 geht es um die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Hat diese Abstimmung rechtliche Relevanz?
Rechtsanwalt Reime: Ja, die Entlastung ist mehr als eine Formalie. Sie bedeutet, dass die Aktionäre mit der Geschäftsführung einverstanden sind und auf Schadenersatzansprüche wegen bekannter Sachverhalte verzichten. Wird keine Entlastung erteilt, kann das Misstrauen ausdrücken und zu juristischen Folgen führen – insbesondere wenn neue Erkenntnisse zu Pflichtverletzungen auftauchen.
Frage: Kommen wir zu TOP 5, der Wahl des Aufsichtsrats. Was fällt hier auf?
Rechtsanwalt Reime: Bemerkenswert ist, dass neben den eigentlichen Aufsichtsratsmitgliedern auch sogenannte Nachrücker gewählt werden. Diese Regelung sorgt für Kontinuität, falls ein Aufsichtsrat vorzeitig ausscheidet. Eine sinnvolle Vorkehrung – gerade bei Unternehmen, die stark in Infrastrukturprojekte wie Solarparks involviert sind.
Frage: Unter TOP 6 soll der Vorstand zur Ausgabe von Genussrechten in Höhe von bis zu 5 Millionen Euro ermächtigt werden. Was genau bedeutet das?
Rechtsanwalt Reime: Genussrechte sind hybride Finanzinstrumente – eine Mischung aus Fremd- und Eigenkapital. Sie gewähren dem Inhaber kein Stimmrecht, aber typischerweise eine feste Verzinsung, in diesem Fall bis zu 2,5 % p.a.. Für das Unternehmen ist das eine flexible Finanzierungsform, ohne neue Aktien ausgeben zu müssen. Für Anleger kann es eine interessante, aber auch risikobehaftete Anlage sein, da Genussrechte im Insolvenzfall nachrangig behandelt werden.
Frage: Schließlich sieht TOP 7 die Bestellung eines Abschlussprüfers vor. Gibt es hier aus juristischer Sicht etwas zu beachten?
Rechtsanwalt Reime: Die Bestellung eines Abschlussprüfers – hier der Dornbach GmbH – ist gesetzlich vorgeschrieben und ebenfalls beschlussfähig. Wichtig ist, dass die Prüfer unabhängig sind und über die notwendige Qualifikation verfügen. Ihre Arbeit ist Grundlage für Transparenz und Vertrauen bei Investoren.
Frage: Unter TOP 8 ist wie üblich Raum für Anregungen und Sonstiges. Haben Aktionäre hier reale Mitspracherechte?
Rechtsanwalt Reime: Ja, zumindest informell. Zwar werden unter diesem Punkt keine Beschlüsse gefasst, aber es ist eine wichtige Gelegenheit für Aktionäre, kritische Fragen zu stellen, Missstände anzusprechen oder Anregungen zu geben. Der Vorstand ist verpflichtet, angemessen darauf zu reagieren.
Frage: Ihr Fazit zur diesjährigen Einladung der solarcomplex AG?
Rechtsanwalt Reime: Die Einladung wirkt formal korrekt und inhaltlich strukturiert. Die vorgeschlagenen Beschlüsse deuten auf ein organisch wachsendes Unternehmen mit Augenmaß. Besonders relevant ist aus juristischer Sicht die Ausgabe von Genussrechten, da Anleger hier genau auf die Vertragsbedingungen und die damit verbundenen Risiken achten sollten.
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