Interviewer: Herr Reime, laut aktuellen Zahlen gibt es in Deutschland inzwischen rund eine Million Balkonkraftwerke – ein regelrechter Boom. Wie beurteilen Sie diesen Trend aus Sicht des Verbraucherschutzes?
Rechtsanwalt Reime: Zunächst einmal ist es ein erfreuliches Signal: Immer mehr Menschen wollen aktiv zur Energiewende beitragen. Aber wo ein Markt schnell wächst, entstehen oft auch rechtliche Unsicherheiten – etwa bei Produktsicherheit, Gewährleistung oder Mietverhältnissen. Aus Verbraucherschutzsicht sehe ich deshalb noch erheblichen Informations- und Regelungsbedarf.
Interviewer: Was sind die größten Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher?
Rechtsanwalt Reime: Viele unterschätzen die technischen und rechtlichen Anforderungen. Nicht jedes Gerät auf dem Markt ist geprüft oder überhaupt in Deutschland zulässig. Es gibt unseriöse Anbieter, die mangelhafte Ware verkaufen – ohne Garantie, ohne CE-Kennzeichnung, ohne geprüfte Wechselrichter. Wer solche Produkte kauft, riskiert nicht nur den Ausfall der Anlage, sondern auch Schäden am Hausnetz oder im schlimmsten Fall die eigene Sicherheit.
Interviewer: Worauf sollte man beim Kauf besonders achten?
Rechtsanwalt Reime: Verbraucher sollten auf Qualitätsnachweise und Prüfsiegel achten – etwa CE-Kennzeichen, TÜV-geprüfte Technik oder Empfehlungen durch die Verbraucherzentralen. Wichtig ist auch, dass die maximale Einspeiseleistung derzeit bei 800 Watt liegt und das Gerät für den deutschen Markt geeignet ist. Im Zweifel sollte man sich nicht auf Online-Marktplätze mit Sitz im Ausland verlassen, sondern bei Fachhändlern kaufen, die auch eine ordentliche Beratung und Gewährleistung bieten.
Interviewer: Wie sieht es mit der Installation aus – darf jeder einfach ein Balkonkraftwerk anschließen?
Rechtsanwalt Reime: Rechtlich darf grundsätzlich jede Person ein Steckersolargerät installieren, solange die Vorschriften eingehalten werden. Die Stromspeisung erfolgt über eine spezielle Einspeisesteckdose oder – seit 2024 gesetzlich erlaubt – auch über eine Schuko-Steckdose, wenn die Anlage den technischen Normen entspricht. Dennoch empfehle ich eine fachkundige Prüfung, gerade bei älteren Stromkreisen im Haushalt.
Interviewer: Und was gilt für Mieter? Dürfen sie ohne Zustimmung des Vermieters ein Balkonkraftwerk installieren?
Rechtsanwalt Reime: Das ist ein häufiges Missverständnis. Zwar wurde das Mietrecht angepasst, sodass Mieter grundsätzlich ein Anrecht auf Zustimmung für sogenannte „privilegierte Maßnahmen“ wie Balkonkraftwerke haben. Dennoch ist in vielen Fällen eine Zustimmung erforderlich – etwa wenn Bohrungen an der Fassade vorgenommen werden oder optische Veränderungen erfolgen. Deshalb sollten Mieter frühzeitig das Gespräch mit der Vermieterin oder dem Vermieter suchen und die Installation gut dokumentieren.
Interviewer: Muss man das Gerät irgendwo anmelden?
Rechtsanwalt Reime: Ja – die Anmeldung beim örtlichen Netzbetreiber und im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur ist Pflicht. Auch wenn das Verfahren inzwischen vereinfacht wurde, ist es für viele Verbraucher noch zu wenig bekannt. Wer seine Anlage nicht anmeldet, handelt rechtswidrig – auch wenn es oft unbeabsichtigt geschieht.
Interviewer: Was fordern Sie als Jurist, um den Verbraucher besser zu schützen?
Rechtsanwalt Reime: Wir brauchen verbindlichere Vorgaben für Händler – etwa eine verpflichtende Produktprüfung und zentrale Melderegister für zugelassene Geräte. Ebenso sollten Informationsangebote durch Verbraucherzentralen, Kommunen und Netzbetreiber gestärkt werden. Wer sich nachhaltig engagieren will, darf nicht in rechtliche Fallen tappen oder schlechte Ware erhalten. Der Boom darf nicht zulasten der Verbraucher gehen.
Interviewer: Herr Reime, vielen Dank für das Gespräch.
Rechtsanwalt Reime: Sehr gerne.
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