Interview mit Rechtsanwalt Reime: Analyse der Bewertungen zur EWE auf Trustpilot

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Interviewer: Herr Reime, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns über die aktuellen Bewertungen der EWE auf Trustpilot zu sprechen. Das Unternehmen hat in den vergangenen zwölf Monaten fast 2.700 Kundenbewertungen gesammelt – mit einem auffällig hohen Anteil sowohl an 5-Sterne- als auch an 1-Stern-Bewertungen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

RA Reime: Vielen Dank für die Einladung. Die Anzahl der Bewertungen zeigt zunächst, dass EWE über eine engagierte und aktive Kundschaft verfügt und auf Trustpilot eine gewisse Sichtbarkeit pflegt. Die Verteilung ist aus juristischer wie unternehmensstrategischer Sicht besonders interessant: Rund zwei Drittel der Bewertungen sind positiv, gleichzeitig entfallen über 20 Prozent auf das niedrigste Bewertungsniveau. Eine solche Polarisierung deutet regelmäßig auf sehr unterschiedliche Kundenerfahrungen hin – mit einer hohen Zufriedenheit auf der einen Seite und erheblicher Frustration auf der anderen.


Interviewer: Worin sehen Sie die Ursachen für diese Diskrepanz?

RA Reime: Solche Bewertungsmuster sind bei großen Dienstleistungsunternehmen keine Seltenheit. Unterschiede im Kundenservice, regionale Varianzen in der Servicequalität sowie die individuelle Betreuung können maßgeblich zur Kundenzufriedenheit beitragen – oder eben zu deren Gegenteil. Hinzu kommt ein psychologischer Aspekt: Während zufriedene Kunden oft keine Veranlassung sehen, aktiv Feedback zu hinterlassen, nutzen unzufriedene Kunden Bewertungsportale wie Trustpilot gezielt, um ihrem Ärger Luft zu machen. So entsteht häufig ein verzerrtes Bild, das nicht unbedingt die tatsächliche Servicequalität widerspiegelt, aber dennoch ernst genommen werden muss.


Interviewer: EWE hat 941 Bewertungen „auf Einladung“ erhalten. Wie beurteilen Sie diese Praxis?

RA Reime: Die gezielte Einladung von Kunden zur Abgabe einer Bewertung ist grundsätzlich sinnvoll und legitim. Sie trägt zu einer ausgewogeneren Darstellung bei, da auch zufriedene Kunden ermutigt werden, ihre Meinung öffentlich mitzuteilen. Entscheidend ist jedoch, dass der Auswahlprozess transparent bleibt. Wenn beispielsweise nur Kunden mit positiven Erlebnissen zur Bewertung aufgefordert werden, entsteht ein irreführendes Bild. Aus juristischer Sicht muss sichergestellt sein, dass die Bewertungsaufforderung nicht selektiv erfolgt und keine Manipulation im Sinne des § 5 UWG (Irreführung durch Unterlassen) vorliegt.


Interviewer: In den letzten zwölf Monaten wurden 29 Bewertungen von EWE gemeldet – 27 davon waren 1-Stern-Bewertungen. Wie ist das aus rechtlicher Sicht einzuordnen?

RA Reime: Es ist nicht unüblich, dass Unternehmen insbesondere gegen negative Bewertungen vorgehen, wenn sie diese als unzutreffend, beleidigend oder rufschädigend empfinden. Wichtig ist dabei, dass die Meldung sachlich begründet und im Einklang mit den Richtlinien der Plattform erfolgt. Dass ein erheblicher Anteil der Meldungen durch Trustpilot als unbegründet zurückgewiesen wurde, sollte das Unternehmen zum Anlass nehmen, seine internen Prüfprozesse zu hinterfragen. Ein vorschnelles Melden von kritischen, aber legitimen Kundenstimmen kann schnell als Versuch der Meinungsunterdrückung interpretiert werden – mit entsprechenden Reputationsrisiken.


Interviewer: EWE beantwortet laut den Daten 92 % der negativen Bewertungen innerhalb von zwei Tagen. Wie bewerten Sie diesen Umgang mit Kundenkritik?

RA Reime: Aus rechtlicher wie strategischer Sicht ist das ein positiver Ansatz. Die zeitnahe Reaktion auf Kritik signalisiert, dass Beschwerden ernst genommen werden. Allerdings kommt es nicht nur auf die Reaktionsgeschwindigkeit, sondern vor allem auf die Qualität der Antworten an. Kunden erwarten konkrete Lösungsvorschläge und transparente Kommunikation – keine automatisierten Textbausteine. Wer nur formal reagiert, ohne inhaltlich auf das Anliegen einzugehen, läuft Gefahr, das Vertrauen der Kunden weiter zu beschädigen.


Interviewer: Wie wichtig ist es für ein Unternehmen wie EWE, auf Plattformen wie Trustpilot aktiv zu sein?

RA Reime: Bewertungsplattformen haben sich zu einem zentralen Informationsmedium für Verbraucher entwickelt. Ein glaubwürdiges Profil kann die Entscheidung potenzieller Kunden maßgeblich beeinflussen. Gerade bei Energieversorgern, deren Leistungen oft langfristige Verträge betreffen, sind Vertrauen und Transparenz entscheidend. Wer aktiv Bewertungen sammelt, sich der Kritik stellt und daraus Verbesserungsmaßnahmen ableitet, positioniert sich nicht nur als serviceorientiert, sondern stärkt auch seine rechtliche Resilienz – etwa bei Vorwürfen der Irreführung oder mangelhaften Kundeninformation.


Interviewer: Was empfehlen Sie EWE im Umgang mit Bewertungen auf Trustpilot?

RA Reime: EWE sollte weiterhin offen für Kundenfeedback bleiben und dieses aktiv einholen – allerdings auf transparente und faire Weise. Bei negativen Bewertungen ist eine sachliche, individuelle und lösungsorientierte Kommunikation unerlässlich. Zudem sollte Kritik intern ausgewertet und gegebenenfalls zur Optimierung von Prozessen genutzt werden. Nur so entsteht nachhaltiges Vertrauen. Unternehmen, die konstruktiv mit Bewertungen umgehen und auf Augenhöhe mit ihren Kunden kommunizieren, haben langfristig die besseren Karten – sowohl wirtschaftlich als auch im Hinblick auf ihre Außenwahrnehmung.


Interviewer: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre differenzierten Einschätzungen.

RA Reime: Sehr gern. Bewertungsplattformen wie Trustpilot bieten eine große Chance – wenn man sie ernst nimmt und klug nutzt.

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