Frage:
Herr Reime, das Landgericht Bielefeld hat entschieden, dass die Drosselung der Kapazität bei Senec-Stromspeichern einen erheblichen Sachmangel darstellt. Was bedeutet dieses Urteil konkret für betroffene Kundinnen und Kunden?
Rechtsanwalt Reime:
Das Urteil des Landgerichts Bielefeld ist ein klarer Fingerzeig in Richtung Verbraucherschutz. Es stellt fest, dass die nachträgliche Drosselung der Speicherkapazität – auch wenn sie aus Sicherheitsgründen erfolgt – einen erheblichen Sachmangel im Sinne des Kaufrechts darstellt. Wer ein Speichersystem mit bestimmter Kapazität kauft, darf auch erwarten, dass diese dauerhaft zur Verfügung steht. Wird diese nachträglich durch den Hersteller reduziert, liegt eine Abweichung von der vertraglich geschuldeten Leistung vor. Und genau das erlaubt nach § 437 BGB einen Rücktritt vom Kaufvertrag mit Rückabwicklung des Geschäfts.
Frage:
Senec hatte die Drosselung mit Sicherheitsbedenken begründet. Spielt das juristisch keine Rolle?
Rechtsanwalt Reime:
Sicherheitsbedenken sind natürlich nicht zu ignorieren. Aber aus juristischer Sicht ist entscheidend, was der Käufer vertraglich erhalten sollte – und was er tatsächlich erhalten hat. Wenn ein Produkt Sicherheitsmängel aufweist, ist das zunächst ein Herstellerrisiko. Der Käufer darf nicht die Folgen einer unausgereiften Technik tragen, insbesondere wenn sie sich erst im Nachhinein zeigt. Der Bielefelder Richterspruch macht deutlich: Auch gut gemeinte Maßnahmen wie eine Drosselung zur Gefahrenabwehr befreien den Verkäufer nicht von der Pflicht zur mangelfreien Leistung.
Frage:
Können betroffene Kunden nun pauschal vom Vertrag zurücktreten?
Rechtsanwalt Reime:
So pauschal lässt sich das nicht sagen. Rücktritt setzt voraus, dass der Mangel erheblich ist und nicht nur vorübergehend. Das Gericht hat im konkreten Fall die dauerhafte Drosselung als erheblich angesehen. Wichtig ist auch, dass dem Verkäufer – also in der Regel der Installationsbetrieb oder Händler – zunächst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wird. Wenn das Unternehmen den Mangel nicht beheben kann oder will – und eine Rücksetzung auf den ursprünglichen Zustand technisch ausgeschlossen oder verweigert wird – ist der Rücktritt regelmäßig möglich.
Frage:
Was bedeutet das Urteil für andere Hersteller oder ähnliche Fälle?
Rechtsanwalt Reime:
Das Urteil könnte Signalwirkung haben. Es ist das erste mir bekannte Urteil, das eine Softwareänderung dieser Art nicht als bloße technische Anpassung, sondern als relevanten Sachmangel einstuft. Sollte sich diese Sichtweise durchsetzen, sind Hersteller gut beraten, derartige Eingriffe im Vorfeld vertraglich abzusichern oder transparent zu kommunizieren. Für Kunden schafft das Urteil eine klare Grundlage, sich gegen nachträgliche Einschränkungen zu wehren.
Frage:
Welche Schritte empfehlen Sie Senec-Kunden, die von der Drosselung betroffen sind?
Rechtsanwalt Reime:
Zunächst sollten alle relevanten Unterlagen wie Kaufvertrag, technische Spezifikationen, Updateschreiben und Kommunikation mit dem Anbieter gesichtet werden. Danach sollte geprüft werden, ob eine Frist zur Wiederherstellung der ursprünglichen Kapazität gesetzt wurde oder werden kann. Wenn das Unternehmen keine Nachbesserung leistet, kann der Rücktritt erklärt und die Rückzahlung des Kaufpreises gefordert werden. Idealerweise sollte dies rechtlich fundiert und schriftlich erfolgen – gegebenenfalls mit anwaltlicher Unterstützung. Das Urteil aus Bielefeld bietet dafür eine sehr gute Ausgangsbasis.
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