Frage:
Herr Reime, das Amtsgericht München hat am 26. Juni 2024 entschieden, dass bei verzögerter Inbetriebnahme einer vor 2023 bestellten Photovoltaikanlage ein Anspruch auf Rückzahlung der Umsatzsteuer bestehen kann. Was bedeutet dieses Urteil konkret für private Hauseigentümer?
Rechtsanwalt Reime:
Das Urteil ist in der Tat sehr bedeutsam für viele private Anlagenbetreiber. Es stellt klar, dass die steuerliche Bewertung nicht ausschließlich an den Zeitpunkt der Beauftragung oder Bezahlung anknüpft, sondern auch die tatsächliche Inbetriebnahme mit in die Betrachtung einbezogen werden muss. Im entschiedenen Fall hatte der Hauseigentümer seine Anlage zwar noch 2022 beauftragt und vollständig bezahlt, aber die Inbetriebnahme fand erst nach dem 1. Januar 2023 statt – also nach Inkrafttreten des sogenannten Nullsteuersatzes auf Photovoltaikanlagen. Das Gericht hat anerkannt, dass in einem solchen Fall die Umsatzsteuer auf die erbrachte Leistung nicht geschuldet ist und daher zurückzuerstatten ist.
Frage:
Worin sehen Sie die juristische Relevanz dieser Entscheidung über den Einzelfall hinaus?
Rechtsanwalt Reime:
Dieses Urteil schafft Klarheit für eine ganze Reihe von Fällen, in denen Anlagen zwar rechtzeitig beauftragt und bezahlt, aber nicht rechtzeitig installiert wurden – was häufig durch Lieferschwierigkeiten, Witterung oder Fachkräftemangel bedingt war. Bisher herrschte hier oft Rechtsunsicherheit. Das Amtsgericht München stellt nun heraus, dass das entscheidende steuerliche Ereignis die Leistungserbringung beziehungsweise die Inbetriebnahme ist – und nicht die reine Zahlung im Voraus. Das kann dazu führen, dass in etlichen Fällen zu viel gezahlte Umsatzsteuer jetzt zurückverlangt werden kann.
Frage:
Wie können Betroffene vorgehen, wenn sie meinen, ebenfalls Anspruch auf eine Rückzahlung der Umsatzsteuer zu haben?
Rechtsanwalt Reime:
Zunächst sollten alle relevanten Unterlagen wie der Auftrag, die Zahlungsnachweise, die Rechnung und der Nachweis über den Zeitpunkt der Inbetriebnahme gesichtet werden. Wichtig ist, dass die Installation nach dem 1. Januar 2023 abgeschlossen wurde und sich die Anlage für private Zwecke im Sinne der Vorschrift eignet. Dann sollte der betroffene Hauseigentümer den Installateur oder Anbieter zunächst außergerichtlich zur Rückzahlung auffordern – mit Hinweis auf das Urteil des Amtsgerichts München. Wenn das nicht erfolgreich ist, kann eine Klage erwogen werden, insbesondere dann, wenn es sich um eine nennenswerte Summe handelt. Gerichte könnten sich künftig auf diese Entscheidung stützen, zumal sie mit der Intention des Gesetzgebers zur Förderung erneuerbarer Energien im Einklang steht.
Frage:
Gilt dieses Urteil auch für gewerbliche Betreiber oder ausschließlich für Privatpersonen?
Rechtsanwalt Reime:
Das Urteil betrifft in erster Linie private Betreiber, weil der Nullsteuersatz gemäß § 12 Abs. 3 UStG speziell für die Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen im privaten Bereich eingeführt wurde. Gewerbliche Betreiber haben häufig ohnehin einen Vorsteuerabzug, wodurch das Thema Umsatzsteuer anders zu bewerten ist. Dennoch können sich auch hier relevante Konstellationen ergeben – etwa wenn der Vorsteuerabzug ausgeschlossen wurde oder eine umsatzsteuerfreie Betriebsführung vereinbart ist. In jedem Fall lohnt sich eine Einzelfallprüfung.
Frage:
Was empfehlen Sie Anlagenbetreibern, die jetzt eine Rückforderung prüfen möchten?
Rechtsanwalt Reime:
Ich empfehle, sich nicht von formalen Einwänden des Anbieters abschrecken zu lassen. Wer glaubhaft darlegen kann, dass seine Anlage erst nach dem 1. Januar 2023 betriebsbereit war und die Voraussetzungen des Nullsteuersatzes erfüllt, hat gute Chancen auf eine Rückerstattung. Es ist ein steuerrechtlich sensibler Bereich, daher sollte man sich im Zweifel rechtlich beraten lassen – insbesondere bei höheren Streitwerten. Das Urteil aus München gibt jedenfalls eine gute Argumentationsbasis.
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